Rezensionen
Rezension Claus Stille vom 06.06.2015
Auszug:
Der Zufall – oder soll ich schreiben: günstige Umstände? wollte(n) es, dass ich ausgerechnet in dieser momentan hochbrisanten Zeit (was leider viele meiner Mitmenschen überhaupt nicht zu bemerken scheinen) auf eine spannende und sehr gut erzählte Roman-Trilogie stieß. Für mich passte diese wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge zur derzeitigen Krisensituation!
Multitalent Lutz Jahoda
Der dreibändige Roman trägt den Titel „Der Irrtum“. Geschrieben hat ihn ein bekannter DDR-Unterhaltungskünstler: Lutz Jahoda. In den Altbundesländern wird der Name des in Brünn/Brno geborenen grandiosen Künstlers – des Moderators, Schauspielers und Autors Lutz Jahoda leider wohl kaum geläufig sein. Nur eine von vielen bedauerlichen Fehlstellen. In der DDR dagegen war der Mann ein Publikumsliebling. Unterhaltungskünstler – gar noch Schlagersänger? Da werden manche an dieser Stelle vielleicht die Nase rümpfen. Denen empfehle ich wärmstens das Buch „Achtung! Vorurteile“ von Sir Peter Ustinov. Multitalent Lutz Jahoda selbst drückte es in seiner Autobiografie so aus: „Vorurteile kleben wie Schusterpech am Leben.“
Literaturgespräch zur Romantrilogie DER IRRTUM (Verlag Edition Lithaus)
bei KULTUR-RADIO FIGARO (MDR)
Redakteur Bernd Schekauski befragt Literaturkritiker Matthias Biskupek
zu Lutz Jahoda und dessen Arbeit.
(Ausgestrahlt am 18. Juni 2012 anlässlich des 85sten Geburtstags von Lutz Jahoda)
Laura M. Steineckert
Es ist heutzutage keine Seltenheit mehr, dass Künstler verschiedener Genres ein Buch veröffentlichen.
So sind zahlreiche Schauspieler, Sänger oder Moderatoren nun also auch mehr oder weniger große Schriftsteller.
Oft reicht es schon aus, mit einem Sportler oder einem Mitglied der High Society zwanzig Jahre vorher einmal irgendwie bekannt gewesen zu sein, um das Ergebnis davon in Form von Biografien, Romanen oder Ratgebern (Ja, genau darauf hat die Welt noch gewartet!), auf den Buchmarkt zu werfen. So wird der noch Lesewillige mit Bestsellern konfrontiert, die in vielen Fällen der Welt doch besser erspart geblieben wären.
Es gibt aber auch Künstler, die ehrlich überraschen. Während die künstlerische Arbeit vieler Kollegen im erreichten Alter, oder „ wegen der gesellschaftlichen Lage“ von kreativem Stillstand oder Wiederholungen geprägt ist, gibt es andere, die es schaffen, ihr ursprüngliches Feld zu verlassen und sich zu neuen Ufern aufzumachen. Zu ihnen gehört Lutz Jahoda.
Etlichen Menschen als Entertainer aus dem Unterhaltungsbereich bekannt, ist Jahoda unter die Schriftsteller gegangen.
Bereits seine Autobiografie war amüsant und unterhaltend, reich an Anekdoten und nicht ohne kritischen Zeigefinger auf sich selbst. Nun hat sich Jahoda zu den ernsthaften, anspruchsvollen Romanautoren gestellt.
Ich hatte nicht erwartet, als Leserin so bereichert zu werden.
Mitte der Siebziger geboren, nach 13 Jahren Schule und fünf Jahren Studium, an Gespräche in der Familie und lebhaften Austausch über Gewesenes und Kommendes gewöhnt, Leseratte seit den Gutenachtgeschichten, bin ich sowohl ausreichend auf dem Laufenden, als auch zu überraschen. Jahoda hat mich überrascht, gefesselt, traurig gemacht und getröstet.
Der Entertainer legt mit seiner Romantrilogie „Der Irrtum“ ein literarisches Werk vor, in dem er Historie mitreißend gestaltet.
Erzählt wird die Geschichte einer ursprünglich deutschen Familie in Brünn, in Böhmen / Mähren, und ihr persönliches Ergehen, nachdem dieses Gebiet von den Nationalsozialisten „heimgeholt“ wird.
Vater Josef Vzor ist ein eher stiller Mann, der ein unspektakuläres Leben führt. Als alles um ihn herum in nationalsozialistischen Wahnsinn ausbricht, sieht er die Geschehnisse anfangs kritisch und zunehmend abwehrend.
Nicht nur, dass Ehefrau Anna den Führer als “feschen Mann“ verehrt, beobachtet er befremdet; der ältere Sohn beginnt damit, „Mein Kampf“ und zahlreiche Nazi –Utensilien unter Dielenbrettern vor dem Vater zu verstecken. Dann wird der tschechische Name abgelegt und die „deutsche Version“ übernommen. Schon das wirft Konflikte auf. Als aber eben dieser Sohn den strammen Weg einer Karriere bei der Waffen-SS geht, werden die Abgründe für den Vater unüberwindbar.
Die Familie bricht auseinander und die Dinge nehmen, auch in ihr, ihren weltpolitischen Verlauf. Fungiert Josef zuerst als stiller Beobachter der nicht aufzuhaltenden Ereignisse, ist er bereits kurze Zeit später mehr in politische Entwicklungen verstrickt, als ihm lieb sein kann.
Aus diesem kritischen, aber eher zurückhaltenden Betrachter wird ein Mann, der nach der Mitte seines Lebens gezwungen wird, seinen Posten als Beobachter zu verlassen und sich zu entscheiden: politisch, moralisch, menschlich.
Ungeplant wird er zum Helden, da er sich der Macht unter Einsatz seines Lebens entgegenstellt.
Jahoda erzählt, er agitiert nicht, es wird und bleibt Literatur, sogar spannende Unterhaltung. Es geht um Dafür oder Dagegen, Stillhalten, Mitlaufen, oder Widerstand. Darum, Entscheidungen zu treffen, die den Lauf eines oder mehrerer Leben unwiderrufbar beeinflussen. Es geht auch ums nackte Überleben.
Der Autor charakterisiert die einzelnen Personen so, dass ich bereits nach den ersten Seiten des Werkes unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht: mit Josef, seiner Frau, den Freunden und Söhnen.
Von Liebe, Freundschaft, Aufrichtigkeit, Gefahr, Verantwortungsbewusstsein und „Sich bekennen müssen“ wird erzählt.
Und so heißt es im Vorwort des letzten Bandes der Trilogie:
„Viele Dinge kommen nicht zurück:
Das gesprochene Wort
Der abgeschossene Pfeil,
das vergangene Leben
und die versäumte Gelegenheit.“
Jahoda zeigt sich in seinem Romandebüt von einer Seite, die das Publikum bisher nicht von ihm kannte. Geehrter Leser, nehmen Sie sich die Zeit, diese
Seite zu entdecken – es lohnt sich!
„Der Irrtum“ – ein wichtiges Werk in unruhigen Zeiten.
Gisela Steineckert
Mitten im „Irrtum“
Wenn mich jemand kraft seiner Magie zerstreut, hindert er mich eigentlich daran, mich zu sammeln. Klingt nicht lobend, meint aber in unserer Sprache
anerkennend, dass jemand sein Zeug so gut kann, dass er mich aus dem Grau
meines Alltags hineinholt in das strahlende Weiß seiner guten Laune.
Lutz Jahoda habe ich oft gesehen und wohl bemerkt, dass er mehr konnte, als ihm meist abverlangt wurde. Er war das Kasperl, auf dem Bildschirm oft ins Flache gedrückt, auf der Bühne jener Alleskönner, der an Peter Alexander erinnerte, wie jener wiederum an die sagenhaften Altwiener Zeiten eines Girardi, eines Nestroy im Burgtheater. Ach, manchmal, ob Jahoda mit dem Papagei spaßte oder mit der Blasmusik einmarschierte, mir schien er der andere, der er gewesen wäre, hätten wir auf der Bühne der DDR dafür grade einen Sinn gehabt. Er hätte den Schnitzler spielen können, Leutnant Gustl, im „Reigen“ fast alle männlichen Rollen, er wäre ein Anatol gewesen, und so hätte ich ihn sehen wollen, so glaubwürdig er als leichtfüßiger Strizzi war, den er in der Operette, auf der Bühne, oder an den „Großen Bunten Abenden“ im Fernsehen gab. Wünschen kann man sich viel, zu erwarten war es nicht.
Nun hat die Ahnung recht gehabt und die Meinung sich geirrt. Mit seiner Literatur hat er mich als Kollege beeindruckt und mir Erinnerungen beschworen, die auch wehtun. Meine Großmutter stammte aus Eger, mein Großvater aus Voitsdorf. Das hieß Sudentengau, als ich das letzte Mal dort war, 1938, in einem kleinen Dorf, bei sehr kleingewachsenen einheimischen Verwandten, die hatten ein Schwein und eine Ziege, eine Kate mit einem Heuboden, auf dem wir geschlafen haben, und sie hatten in der einzigen Stube ein Nazi-Henlein-Bild. Ein solches hing in jeder Stube links von der Landstraße und bei all den Familien, kleine und bescheidene Leute, Volksdeutsche, die nur untereinander heirateten, mit dem Bus nach Aussig oder Mariaschein fuhren- und das war alles an Welt, was sie kannten.
Sie sprachen deutsch, nur deutsch. Und ich erfuhr als Kind nicht, dass rechts von der Landstraße Tschechen lebten, dass es dort eine andere Sprache und eine ganz andere Welt gab.
Lutz Jahoda lässt auferstehen, was ich selber gesehen habe, und vieles, was ich nicht wusste, damals nicht wissen konnte und später als Teil deutscher unheilvoller Geschichte erfuhr, als ich es wissen wollte. So also war das, als die deutsche Kralle sogenannte Heimaten heimholte. Auch meine Verwandten waren rausgeworfen worden, mehr war ihnen nicht geschehen, aber sie hatten für lange Jahre kein Besuchsrecht. Sie zogen nach Dippoldiswalde, nahe der alten Heimat, oder sie kamen nach Berlin zu den Verwandten.
Ich wollte wissen, ob jene Tragödie, Ursache und Wirkung, von den Nachgeborenen gebraucht werden könnte, zum besseren Verständnis geschichtlicher Narben, unseres Anteils von schlechtem Gewissen, wie unserer nimmermüden Sehnsucht, es besser zu machen.
Meine Enkelin Laura und ich haben Lutz Jahoda nun auch Gespräche zu danken, die wir anders nicht gehabt hätten. Er hat uns auf Spurensuche geschickt, nachdem wir aus seinen drei Bänden aufgetaucht sind. Wie bei jeder guten Tragödie kommt auch die komische Seite bei allem Ernst nicht zu kurz.
Der Unterhaltungskünstler Lutz Jahoda hat eine Reverenz seines Publikums verdient. Nun, als Schriftsteller, würde er Leser verdienen, weil er ihnen im besten Sinne dient.
Nach der Buchpremiere in der tschechischen Botschaft kann ich den Veranstaltern diesen Autor auch als glänzenden Vorleser empfehlen. Für ein Publikum, das noch oder wieder liest. Wer in der Literatur den Duft der Jahreszeiten sucht, Lebenswahrheit, Sinnlichkeit, Trauer, Ironie und das Problem des zwanzigsten Jahrhunderts, dem seien Jahodas drei Bände empfohlen: neidlos, belehrt und beeindruckt.
Gustav Just, Publizist und Übersetzer tschechischer und slowakischer Literatur, schreibt:
„Die aktuelle Bedeutung dieser Romantrilogie beruht auf der beeindruckenden Detailtreue: diesem wichtigen Kennzeichen einer epischen Literatur. Schon aus diesem Grund ist dieser Text von Lutz Jahoda ein wertvoller Beitrag zu den wechselvollen Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen.
Authentizität, Geschichtstreue, literarische Gestaltung und ansprechende Sprachkultur prägen diese drei lesenswerten Bände.“
Frau Dr. Sylva Schwarzenegger, Leiterin der Sektion Architektur an der Mährischen Akademie für Bildung, Wissenschaft und Kunst in Brno (Brünn) schreibt:
„Ungewöhnlich die Sicht des Autors, der Augenzeuge war: Augenzeuge deutscher Nationalität. Dieser Umstand fesselt und überrascht, vor allem den tschechischen Leser bei der Lektüre dieser drei Bände. Sie sind hilfreicher Beitrag zur Verbesserung tschechisch-deutscher Beziehungen im Rahmen europäischer Stärkung und europäischen Zusammenhalts. Die Romanhandlung gewährt der Nachkriegsgeneration einen wirklichkeitsnahen Einblick in die Stadt Brünn, der Hauptstadt Mährens, und in die Gedankenwelt ihrer Bewohner, erinnert an die wechselseitige Tragik der Bürger während des Zweiten Weltkriegs und wirkt wie eine Vervollständigung zum Geschichtsbuch.“
Josef Škrábek, Schriftsteller, Prag:
„Es ist ein mächtiges Werk und verdient Hochachtung“
Eduard Hrubeš, Publizist und Fernsehmoderator, Prag:
„Habe die Romantrilogie DER IRRTUM mit heißen Ohren gelesen. Bin beeindruckt, aber auch begeistert von der vielfältigen Schönheit und Wendigkeit der deutschen Sprache, die Lutz Jahoda großartig zu nutzen versteht.“
Eva Maria Hahn, Leserin, Leipzig:
„Vielen Dank, dass Sie sich dieses heiklen Themas angenommen haben und es der Nachwelt präsentieren.“
Helga und Lothar Nattrodt, Leser aus Dresden:
„Nach der Lektüre ist es uns ein Bedürfnis, Ihnen für dieses zutiefst humanistische Werk zu danken. Möge der Roman zu einem besseren Umgang mit der Geschichte in diesem Land beitragen als das gegenwärtig der Fall ist.“
Jürgen Mai, künstlerischer Leiter der „Komödie“-Dresden:
„Bewundere Ihre Kraft und Ausdauer, dieses Werk geschaffen zu haben.“
Laura Marie Steineckert, Berlin:
„Selten habe ich Zeitgeschichte so spannend und leicht verständlich, aufregend mitzitternd gelesen und an einigen Stellen doch so herzhaft gelacht, weil die Formulierungen so frisch und lebensnah sind.“
Hans Müncheberg, Schriftsteller und Dramaturg:
„Eine großartige Familiengeschichte mit einem berührend humanen Kern. Josef Vzor, die zentrale Gestalt in dieser Trilogie, wagt sein Leben, um das ihm ungefragt übertragene Leben eines vom deutschen Rassenwahn bedrohten Knaben zu bewahren, der bereits seine jüdische Mutter verloren hat und ohne Hilfe gliechfalls verloren wäre.“
EULENSPIEGEL Nr. 10/10,
„Die große Literatur-Eule“ (Seite 67-106):
Matthias Biskupek (Seite 85) über die Romantrilogie DER IRRTUM
Wenn Unterhaltungskünstler im höheren Alter sich dem Schreiben zuwenden, ist das meist entsetzlich. So griff ich nur aus Neugier mal kurz zum dreibändigen Lebens-Werk des Lutz Jahoda: DER IRRTUM (edition lithaus). Und wurde hineingezogen in diese Geschichte aus Brünn. wo Deutsche neben und mit und schließlich kurze Zeit über den Tschechen lebten. Vertriebenenromane gibt es viele. Oft sind sie, mit Verlaub, scheußlich. Hier aber wird die Geschichte des Josef Vzor humorvoll und schrecklich genau erzählt. Vzor, der seinen slawischen Namen auch unter der Hitler-Besetzung – im Unterschied zu seinen Söhnen – nicht ablegen will und dennoch später mit den vielen Schuldigen leidet. Sprachen-Kenner Jahoda bietet zudem genaue Erklärungen tschechisch-deutscher Wortspiele: Literatur kann eben doch aufheben. Im mehrdeutigen Sinne.